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Du 849 | September 2014

Bildung

Fürs Leben lernen

 
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ISBN:
978-3-905931-45-7
Preis:
CHF 20.- / EUR 15.-
Status:
an Lager


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Bilder: Joachim Froese
Büchertürme
Der Fotograf Joachim Froese porträtiert mit Bücherstapeln sich und seine Mutter.

Ludwig Hasler
Das Ziel aller Bildung ist Handeln, nicht Wissen
Ein Plädoyer für die Bildung persönlicher Handlungsbereitschaften.

Bilder: Jan Banning
Bureaucratics
Was den Bürger erwartet, wenn er eine Amtsstube an allen möglichen Orten der Welt betritt.

Jürgen Oelkers
Bildung: ein profaner Befund
Die Frage, wie und wozu man lernt, verlangt nachhaltige Antworten.

Ernst Fehr im Gespräch mit Oliver Prange
«Eine Gesellschaft, die im Pisa-Ranking bessere Werte hat, erzeugt langfristig mehr Wohlfahrt»
Bei der Erforschung der Bildung spielen die Neurowissenschaften inzwischen eine grosse Rolle. 

Stephan Schmidheiny im Gespräch mit Oliver Prange
«Am wichtigsten ist der Mensch, der etwas macht»
Die beiden Stiftungen Avina und Fundes setzen sich für Eigeninitiative vor Ort ein. 

Gerald Hüther im Gespräch mit Mathias Morgenthaler
«Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei»
Die Unterhaltungsindustrie ruiniert nicht nur unser Gehirn, sondern auch das unserer Kinder.

Theo Wehner im Gespräch mit Mathias Morgenthaler
«Die Arbeitswelt neigt dazu, uns aufzufressen»
Warum leiden so viele Menschen unter Stress im Berufsleben?

Ken Robinson im Gespräch mit Mathias Morgenthaler
«Das Können allein gibt auf Dauer keine Befriedigung»
Viele Schulen sind immer noch viel zu sehr auf die Bedürfnisse der Industriegesellschaft ausgerichtet.

Ute Noll / Bilder: Andreas Meichsner
Die Schönheit harter Arbeit
Die Arbeit des Technischen Überwachungsvereins (TÜV) verlangt Einsatz mit Leib und Seele.

Ali Mahlodji im Gespräch mit Mathias Morgenthaler
«Die Ernennung zum EU-Jugendbotschafter ist die coolste Ehrung für einen Schulabbrecher»
In sieben Jahren hat Ali Mahlodji vierzig Jobs gemacht. Jetzt besitzt er ein eigenes Unternehmen und einen grossen Audi.

Maya Farner im Gespräch mit Mathias Morgenthaler
«Ich kann zwar nicht gehen, aber ich könnte versuchen zu tanzen»
Ein Derwisch hat Maya Farner den Drehtanz beigebracht. Trotz ihrer Knieprobleme.

Bobby Dekeyser im Gespräch mit Mathias Morgenthaler
«Ich versuche, keine Angst zu haben, vor gar nichts»
Erst Schulversager, dann flog Bobby Dekeyser als Torwart beim FC Bayern raus. Heute sind seine Gartenmöbel weltweit Kult.

Alain Chuard im Gespräch mit Mathias Morgenthaler
«Die Millionen waren ein schöner Nebeneffekt»
Für den Umgang mit Risiken und Nebenwirkungen des Geschäftslebens empfiehlt der Software-Unternehmer Alain Chuard das Surfbrett.

Christian Füller
Die missbrauchte Utopie des besseren Lernens
Wie konnte es zum Super-GAU der Reformpädagogik in der Odenwaldschule kommen?

Peter Killer
Reisen bildet
Mit seinen Expeditionen in die fernen Kontinente vor zweihundert Jahren wurde Alexander von Humboldt zum Pionier der bürgerlichen Bildungsreise.

Daniel Kalt
Ausbildung lohnt sich
36 Prozent der Arbeitnehmer in der Schweiz sind in einem Bereich mit Arbeitskräftemangel beschäftigt. Damit sich die Lage nicht weiter verschärft, braucht es Aus- und Weiterbildung.

Andréa Holzherr / Bilder: Niina Vatanen
A Room’s Memory
Ähnlich wie Eintragungen in einem Tagebuch stellen die Bilder von Niina Vatanen nicht einfach Ereignisse dar, sondern Gefühle und Stimmungen.

  Du 849 | September 2014 | Bildung – Fürs Leben lernen

Bildung

Fürs Leben lernen

Zu den World Skills 2015 in São Paulo treten 1000 junge Berufsleute aus 70 Nationen gegeneinander an. Die Euro Skills finden diesen ­Oktober in Lille mit Beteiligung von 27 Ländern statt. Und erstmals gehen vom 17. bis 21. September die Swiss Skills über die Bühne. ­Junge Lernende aus 130 Berufen in Handwerk, Industrie und Dienstleistung stellen sich vor. Mit diesem Grossevent wird der Wert des dualen Berufsbildungssystems einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Für Du ist der bis auf Weiteres einmalige Event Anlass, sich mit dem Begriff der Bildung zu beschäftigen, der die abendländische Geschichte seit der Antike als Garant für kulturelle und gesellschaftliche Dynamik prägt. 

«Das deutsche Wort Bildung hat drei historische Quellen: das mittelalterliche Imago Dei, also die Nachbildung Gottes, die neuzeitliche Bildung durch Wissenschaft und die moderne Bildung als Selbstformung des Menschen», schreibt Professor Jürgen Oelkers von der Universität Zürich. Doch der Begriff ist nicht klar umrissen. Braucht schulische Allgemeinbildung Kunst, Literatur und Philosophie oder Frühenglisch, Schulmathematik und Computer-Literacy? Wieso gehört Sport dazu und Gesundheitserziehung nicht? Und warum ist Recht kein Fach, obwohl die Schule auf das Leben vorbereiten soll?  

Im Winter 1872 hielt Friedrich Nietzsche, Professor für Klassische Philologie, an der Universität Basel Vorträge Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten. Für Nietzsche war Bildung nur antike Bildung: Latein, Griechisch und allenfalls deutsche Klassik, widersinnigerweise in Zeiten der Industrialisierung. Nietzsches These war, dass jede Verbreiterung der Bildung zu ihrer Nivellierung führe. Für Allgemein- und Berufsbildung hatte er kein Verständnis. Bildung war für ihn eine Sache der Elite. Zum Glück ists anders gekommen. 

Doch Nietzsche wird noch immer bemüht bei der absurden Debatte in Deutschland, ob neun oder acht Jahre Gymnasium ausreichend seien, während im übrigen Europa zwei- bis vierjährige gymnasiale Oberstufen die Regel sind, mit dem Konzept der zweckfreien Bildung. Bildung war für ihn ein Zuchterlebnis und keine Selbstverwirklichung.  

Für die Leistung eines Schulsystems gibt es einen Indikator: die Jugendarbeitslosigkeit. Während die Schweiz dank dem dualen Bildungssystem eine Jugendarbeitslosigkeit von tiefen 3 Prozent hat, ist sie überall dort hoch, wo man es nicht kennt. Spanien verzeichnete im Mai 2014 eine Jugendarbeitslosigkeit von 54 Prozent und Portugal eine von 36 Prozent. Junge Menschen besuchen Unis, bekommen aber keine Jobs, weil sie am Arbeitsmarkt vorbei ausgebildet wurden. Auf solche Fehlentwicklungen weist auch unser Autor Ludwig Hasler hin mit seinem Plädoyer: «Das Ziel aller Bildung ist Handeln, nicht Wissen. Nicht für die Schule, fürs Leben lernen. Taugt Wissen überhaupt fürs Handeln?» Wer viele Kurse besucht, handelt nicht unbedingt besser, weil das Leben situativ und jede Situation einmalig ist, während das Wissen im Allgemeinen feststeckt. «In der Zone dazwischen hilft uns nur die Kunst der Wahrnehmung, mit wachen Sinnen, mit Fantasie, mit Inspiration», schreibt Hasler. 

Natürlich braucht der Arzt Fachwissen, aber seine Kunst lebt auch von der subjektiven Kraft, der Assoziation, der Einbildung, der Empathie, denn Krankheitsgeschichten laufen nicht ab wie vorhersehbare chemische Prozesse. Deshalb gehört zu seiner Weiterbildung nicht nur Wissen, sondern auch ein Training der Sinne, um ein ausgereiftes Menschenbild zu erhalten und Entscheidungen besser treffen zu können. 

Wie diese Entscheidungen im Hirn ablaufen, das sagt uns im Interview Professor Ernst Fehr von der Uni Zürich. Er untersucht die neuronalen Kreisläufe, die sich im Gehirn abspielen, wenn man Entscheidungen trifft. Dabei schaut er sich die Vorgänge im Gehirn mittels Scanner an. 

Die grundlegende Tätigkeit des Hirns sind feuernde Neuronen, die elektrische Impulse abgeben. Die kann man messen. Doch ein grosses Geheimnis kann man noch immer nicht dem Gehirn entreissen. Warum nimmt man sich als Einheit wahr? Seit Fehr für die Universität Zürich eine Spende der UBS von hundert Millionen Franken erhielt, kann er umso mehr Lehrstühle finanzieren, damit die Uni eine Spitzenposition im europäischen Wettbewerb erreichen kann.

Noch grosszügiger hat sich der Schweizer Unternehmer Stephan Schmidheiny gezeigt. Er unterstützte mit seinen Stiftungen Avina und Fundes Projekte im Umfang von 450 Millionen Franken. Nachdem er die Vertretung der Wirtschaft am Rio-Gipfel 1992 vorbereitet hatte, wandte er sich mehr und mehr dem Thema Nachhaltigkeit und der Philanthropie zu. Schmidheiny erzählte in der Du-Ausgabe 842 vom letzten Dezember über sein Leben, im zweiten Teil des Interviews zum 20-Jahr-Jubiläum der Avina geht er darauf ein, wie er Zehntausenden vor allem in Südamerika positive Anstösse gab und nicht Projekte umzusetzen versuchte, sondern Menschen vor Ort in die Lage versetzte, selbst aktiv zu werden. So wie die Cartoneros, die Müllmänner, die zu Recycling-Unternehmern wurden. Oder die Jesuiten-Patres, die für ihre 1500 Schulen eine zentrale Verwaltung bekamen. Schmidheiny tut das nicht, weil er ein guter Mensch sein will. Er fände es einfach unvernünftig, es nicht zu tun.