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Du 838 | Juli 2013

Revolution!

 
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ISBN:
978-3-905931-33-4
Preis:
CHF 20.- / EUR 15.-
Status:
an Lager


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Teil I 

Michail Schischkin
Der russisch-siamesische Zwilling
Der russische Autor Michail Schischkin sorgte kürzlich für Schlagzeilen, als er sich weigerte, sein Land an der Buchmesse in New York zu vertreten. Jetzt schreibt Schischkin, was Revolution für Russland kurz vor dem Jahrhundertjubiläum des Oktober-Umsturzes bedeutet.

Sarah Farag
«Die Revolution geht weiter!» Die Vielfalt der Protestkultur Ägyptens
Wie viel Freiheit und Demokratie sich nach der Frühlingsrevolution in Ägypten entwickeln wird, ist offen. Aber die Formen des Protests haben sich in den letzten zwei Jahren verändert – eine neue Graffiti-Kultur verwandelt Kairo in ein öffentliches Museum, das die Erinnerung an die revolutionären Ereignisse wachhält.

Daniel Di Falco
Aufstand der Dinge
Die Dinge haben uns in der Hand. Und was passiert, wenn sie sich gegen uns Menschen verschwören? Mutmassungen über einen Umsturz, den wir wohl allzu gerne übersehen. 

Eva Behrendt
Revolution + Restauration = Mad Feminism?
Die Serie Mad Men ist eine der grössten Erfolgsstorys der TV-Welt. Inzwischen gilt Mad Men als feministisch – was einige Fragen aufwirft über den heutigen Feminismus.

Daniele Muscionico
Bratengeruch der Revolution
Die Studentin Hannah R. war in den Zwanzigerjahren mit der deutschen Geistes-Avantgarde von Paul Klee bis Walter Gropius auf Du und Du. Sie hinterliess ein Kochbuch, das zugleich ein Revolutionsführer ist – mit einer Vielzahl von Rezepten zum Nachkochen.

Mark Sattler
Revolutionäre sind schlechte Komponisten, sind gute Komponisten revolutionär?
Das Lucerne Festival hat sich diesen Sommer das Thema Revolution auf die Fahnen geschrieben. Verlassen wir die musikalische Komfortzone und schauen nach, was passiert, wenn Musiker ihre Systeme sprengen. 

Laura Schmid und Pablo Barragán im Gespräch mit Marianne Mühlemann
Prix Credit Suisse Jeunes Solistes
Wie man mit Joggen das Klarinettenspiel verbessern kann und was Golf- und Blockflötenspiel miteinander verbindet. 

Tobi Müller
Die digitale Revolution: Die Gleichberechtigung des Materials ist da. Und was machen die Menschen?
Die digitale Revolution hat die Musikindustrie als erste Kultursparte komplett verwandelt. Mit Folgen für den ganzen Kreativbetrieb.

Florian Kappeler
Herr Strömli in Santo Domingo – die Schweiz und die haitianische Revolution
Scheinbar ist es ein Nebenschauplatz der Weltgeschichte, doch die revolutionären Ereignisse in Haiti Ende des 18. Jahrhunderts führen über die Umwege Thun und Appenzell mitten ins Herz der Neutralitätspolitik der Schweiz. 

Lucerne Festival 2013 – Höhepunkte aus dem Programm

 

Teil II

90    Urs Stahels Sichtweisen 
        In Kussdistanz zum Leben: Alberto García-Alix 

92    Expecting Art von Ewa Hess
        Live in Your Head

94    Stefan Zweifels Reflektorium 
        Rebell Tell zwischen Hodler und Blocher – 
        ein Monolog mit Christoph Blocher

98    Die Eroberung des Unnützen von Dieter Meier
        Revolutionär frisst Revolution zur Nachspeise

 

  Du 838 | Juli 2013 | Revolution!

Revolution!

Wenn Sie diese neue Du-Ausgabe in den Händen halten, sind bereits wieder mindestens drei Wochen vergangen, seitdem wir hier in der Redaktion am Zürcher Stadelhofen gesessen sind und für Sie dieses Editorial geschrieben haben. Wir wissen nicht, was in diesen drei Wochen passiert sein wird, vielleicht haben sich die Ereignisse in der Türkei zugespitzt – oder sie haben sich wieder beruhigt. Vielleicht sind irgendwo in der Welt Dinge geschehen, die mit Fug und Recht den Namen Revolution verdienen. Was wir damit sagen wollen: Revolutionen gehören zu den magnetisch aufgeladenen Phänomenen im Weltgeschehen, die sich nicht voraussehen lassen. Umso mehr entwickeln sie – wenn sie dann geschehen – eine unerhörte Anziehungs- und zugleich Abstossungskraft. In diesem Sinne kann Revolution heute potenziell überall stattfinden. Die diesjährige Wahl der Miss Schweiz krönt die Schlagzeile: «Ihr Sieg ist für eine Schönheitswahl fast schon revolutionär: Sie ist die erste kurzhaarige Miss Schweiz.» Sie sehen, fast alles – selbst eine Kurzhaar-Frisur – kann sich heute das Attribut revolutionär anstecken. Wir haben Ihnen und uns daher die Quadratur des Kreises erspart, nämlich die Frage, was Revolution heute grundsätzlich bedeutet. Wenn wir in der diesjährigen Sommerausgabe «Revolution» auf die Du-Titelseite schreiben, möchten wir uns weder in ein ideologisches Zentralorgan verwandeln noch uns auf dem Terrain der Besserwisserei breitmachen. Leitartikel sind uns fremd, als Zeitschrift für Kultur interessiert uns naturgemäss mehr, was sich dem ersten Blick der Schlagzeilen entzieht und erst über Umwege und Widerstände ins öffentliche Bewusstsein dringt. So haben wir den russischen Autor Michail Schischkin, der sich vor Kurzem geweigert hat, sein Land an der Buchmesse in New York zu vertreten, gefragt, welche Relevanz die Revolution heute, kurz vor dem hundertsten Jubiläum der Oktober-Revolution, in seinem Land besitzt. Schischkin beschreibt den Widerspruch zwischen Mythos und Realität des Zauberworts Revolution, der bis heute das Land prägt – was auch die Bilder des polnischen Fotografen Rafal Michal vom heutigen Russland eindrücklich zeigen. Die arabische Revolution vor zwei Jahren ist eines der jüngsten Beispiele für die Unvorhersehbarkeit radikaler Veränderungen. Sarah Farag pendelt seit Längerem zwischen Ägypten und der Schweiz, bei den historischen Ereignissen auf dem symbolträchtigen Tahrir-Platz in Kairo im Januar 2011 war die gebürtige Schweizerin selbst dabei. Jetzt führt sie uns durch die Innenstadt Kairos und zeigt, was in den langen Jahren der Diktatur unvorstellbar gewesen wäre: Eine neue Graffiti-Kultur verwandelt die Stadt in ein öffentliches Museum, das die Erinnerung an die revolutionären Ereignisse wachhält und zugleich an den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen der patriarchalen Männerwelt rüttelt: Die Frage nach der Rolle der Frau benennt nach wie vor eine der zentralen Weichenstellungen auf dem Weg zur Selbstbestimmung einer muslimischen Gesellschaft. Aber auch in der westlichen Medien- und Konsumgesellschaft stellt sich immer noch und immer wieder die Frage nach dem revolutionären Potenzial des Feminismus: Eva Behrendt hat sich gewundert, warum ausgerechnet die TV-Serie Mad Men plötzlich das Attribut feministisch erhält, und die drei Frontfrauen der Glamour-Welt von Mad Men genauer angeschaut. Wer freilich glaubt, dass das Geschlechterverhältnis der ultimative Schauplatz für radikale Gleichberechtigung darstellt, ist bei unserem Autor Daniel Di Falco gut aufgehoben. Denn er tritt einen revolutionären Schritt beiseite und fragt: Wie sieht es eigentlich zwischen Mensch und Ding aus? Wer unterdrückt hier wen? Und was passiert, wenn sich die Dinge gegen die Menschen verschwören und den Aufstand gegen die Herrschaft der Menschen wagen? Als Rädelsführer und Augenzeugen dieser Rebellion treten auf: Vladimir Nabokov, Donald Duck, eine Glühbirne namens Byron, Robert Musil, Albert Einhart (ja, Sie haben richtig gelesen: -hart, nicht -stein!) und viele andere Liebhaber von fiktiven Weltrevolutionen. Dieses Juli/August-Du entsteht wieder – wie in den beiden vergangenen Jahren – in Partnerschaft mit dem Lucerne Festival, das sich diesen Sommer mutig das Thema Revolution auf die Fahnen geschrieben hat. Im Wechselspiel zwischen Revolution und Komposition, zwischen Zerschlagung von Systemen und Erschaffung neuer Kunstwelten führt uns der Weg von Ludwig van Beethoven bis zu Robert Henke, einem der vielen unbekannten Gründerväter der digitalen Musikrevolution. Und nicht zu vergessen: Vor genau hundert Jahren ereignete sich in Paris der vielleicht grösste Aufstand in der Musikgeschichte, die Uraufführung von Strawinskys Sacre du printemps im Mai 1913, ein Skandal, dessen Tumultfrequenzhöhe kein Rockkonzert bis heute erreicht hat. Wenn wir auf den Spuren der Revolution in Moskau und Kairo, Manhattan und Paris schliesslich wieder in der Schweiz angekommen sind, wartet – last but not least – ein nahezu unbekannter Augenblick von Schweizer Revolutionsgeschichte auf Sie, der uns vom Thunersee direkt in die Karibik und zugleich ins Herz des helvetischen Selbstverständnisses führt. Der Frage, ob es heutzutage revolutionär ist, wenn eine Bank eine Ausgabe wie dieses Revolutions-Du grosszügig unterstützt, beantworten wir mit einem herzlichen Dankeschön an die Credit Suisse als Hauptsponsor des Lucerne Festival und an die Stiftung Propter Homines in Vaduz, Fürstentum Liechtenstein, für ihren Support. Merci vilmal, vive la difference!