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Du 829 | September 2012

Über das Erzählen

sechzig Jahre Diogenes

 
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ISBN:
978-3-905931-24-2
Preis:
CHF 20.- / EUR 15.-
Status:
an Lager


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Teil I

Über das Erzählen
Acht Autoren des Diogenes Verlags beantworten die
einfachste und schwierigste Frage zugleich: Was hat Sie
dazu gebracht, Geschichten zu erzählen?

Joey Goebel
Grossvater und die Bleistiftfabrik

Dorris Dörrie
Die mit dem Blut

Ingrid Noll
Meine Mutter schaute stumm auf dem ganzen Tisch herum

Arnon Grünberg
Der Name

Tomi Ungerer: Neue Bilder

Donna Leon
Man kann Schafe nur hüten, wenn sie willig sind

Bernhard Schlink
Der Herr der Wüste

John Irving
«… tja, diese Dinge suche ich mir nicht aus. Sie verfolgen mich;
sie suchen mich heim.»

Benedict Wells
«Und, wie geht die Geschichte weiter? Sag schon!»

Luxus und Liebe
Vom ersten Tag an leistet sich der Diogenes Verlag einen
besonderen Luxus: die Liebe zum grafischen Buch.

Daniele Muscionico
Wo stets viele Lämpchen glühen – Beobachtungen aus
dem Allerheiligsten

Der Diogenes Verlag ist der grösste unabhängige Autoren-Verlag
in Europa, und das soll auch in Zukunft so bleiben.

Fünf Etagen Energie
Ein fotografischer Streifzug von Andri Pol durch die fünf
Etagen des Diogenes-Verlagshauses an der Zürcher Sprecherstrasse
im Sommer 2012.

Urs Widmer
Das langsame Verschwinden Totenklage für Daniel Keel
Lange hatte Daniel Keel geglaubt, der Tod gehe nur
andere etwas an, aber nicht ihn. Als er im September 2011
starb, war dies – wie Urs Widmer beschreibt – das Ende
eines langsamen Verschwindens.

Philipp Keel im Gespräch mit Oliver Prange
«Wenn man glaubt, dass es so richtig ist, muss man weitermachen»
Im Interview mit Du erzählt Philipp Keel, der nach dem Tod
seines Vaters die Leitung des Diogenes Verlags übernommen
hat, aus seiner Kindheit als Verlegersohn – und von der
Zukunft als neuer Verleger.

Teil II

Urs Stahels Sichtweisen
Von Liebe, Sehnsucht und dem Gelächter der Verzweiflung

Obrist Talk
Xavier Le Roy im Gespräch mit Hans Ulrich Obrist

Expecting Art von Ewa Hess

Stefan Zweifels Reflektorium
Die Wonnen des Masochismus

Medienpartnerschaft
Vom Ende bis zum Anfang: die Zukunft der Museen

Die Eroberung des Unnützen von Dieter Meier
Eine Hymne an Güllen

  Du 829 | September 2012 | Über das Erzählen – sechzig Jahre Diogenes

Über das Erzählen

sechzig Jahre Diogenes

Sechzig Jahre Diogenes
Von Oliver Prange

In der Verlagschronik, die zum Fünzig-Jahr-Jubiläum von Diogenes, erschien, schrieb Verleger Daniel Keel in seinem Editorial: «Mit zwanzig versuchte ich selber zu schreiben und zu malen. Ich musste feststellen, dass mein Talent nicht reichte. Ich wurde Vermittler von solchen, die es besser können, also Hebamme, Butler, Banker in einem.»
Das Sechzig-Jahr-Jubiläum, das in diesem Jahr begangen wird, hat Daniel Keel nicht mehr erlebt, er starb letzten September. Sein Sohn Philipp Keel hat inzwischen die Funktion des Verlegers übernommen. Das Jubiläum und der Generationenwechsel sind für uns Anlass, eine Du-Ausgabe der «Diogenes-Familie» zu widmen.
Zusammen mit den langjährigen Diogenes-Mitarbeitern Ruth Geiger und Daniel Kampa kamen wir schnell zum Thema. Es durfte nicht eine Chronik sein; sie ist in dem genannten Werk, das über 800 Seiten stark wurde, bereits geschrieben. Vielmehr entschieden wir uns, darzustellen, was die Belletristik-Welt im Innersten zusammenhält: die Kunst des Erzählens.
Was macht eine gute Geschichte aus? «Jede Art zu schreiben, ist erlaubt – nur die langweilige nicht», sagte einst Voltaire. Diese Vorstellung ist bei Diogenes Programm. Daniel Keel liebte nur vergnügliche oder leichte Bücher, die ihn aufmunterten, oder solche, die ihn trösteten und belehrten, recht zu leben und zu sterben.
Wir baten die grossen Diogenes-Autoren, uns ihre Erfahrungen mitzuteilen, und zwar in der Form, die sie alle so sehr lieben – erzählend. «Eigentlich erzähle ich alles mir selbst», schreibt Bernhard Schlink, und Benedict Wells denkt: «Ich glaube, die Urform der Erzähler sind Menschen, die am Lagerfeuer sitzen und sich Geschichten für ihre Zuhörer ausdenken.» Doris Dörrie glaubt: «Eine gewisse vererbte Neugier hilft wahrscheinlich.»
Urs Widmer sass viele Stunden in vielen Jahren am Esstisch bei den Keels. Er schreibt für Du, wie er die letzte Zeit von Daniel Keel erlebte. «Eines Tages war er ganz verschwunden. Er hatte sich für immer aus unserm Gesichtsfeld entfernt. Er selber war noch da, o ja, das wussten wir. Das wusste er. Es wurde mehr und mehr sein Trick, die Fäden wie ein unsichtbarer Magier zu ziehen. Der Zauberer war nicht mehr zu sehen, und die Tauben flogen trotzdem jeden Frühling und Herbst aus dem Zylinder. Er war unsichtbar, aber anwesend. Verschwunden, aber wahrnehmbar. Leise, aber hörbar. Winzig, aber gross.»
Jetzt also führt Philipp Keel das Werk seines Vaters fort, nachdem seine Mutter bereits vor zwei Jahren gestorben ist. Was er lernen muss, ist, mit dem umzugehen, was nicht mehr da ist, und jetzt eine Aufgabe wahrzunehmen, von der er sein Leben lang wusste, dass sie wahrscheinlich auf ihn zukommt.
Er beschreibt, wie seine Kindheit eine Party war, die nicht aufhören wollte; jeden Abend kamen Leute – Fellini, Dürrenmatt, Loriot, Loetscher –, es wurde diskutiert, gelacht, gegessen und getrunken.
So suchte Keel seine Autoren aus; am liebsten wollte er sich mit den Menschen ganz einfach unterhalten. Er ging mit ihnen spazieren oder in eine Gartenbeiz. Zusammengehalten wurde das Ganze von Geschäftspartner Rudolf C. Bettschart.
Doch was wird Philipp Keel von seinem Vater übernehmen? Unter anderem seinen Schreibtisch. Er sagt: «Söhne sind immer ein wenig wie ihre Väter, ob es ihnen gefällt oder nicht.»
Er will weiterführen, was Diogenes wirklich kann: nämlich Bücher machen – und nicht irgendwelche, sondern hoffentlich die besten und schönsten.