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Du 827 | Juni 2012

Art City Zürich

Mit dem Löwenbräu auf die Kunst-Weltkarte

 
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ISBN:
978-3-905931-22-8
Preis:
CHF 20.- / EUR 15.-
Status:
an Lager


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Teil I

Barbara Basting
Löwenbräu – ein Nervenzentrum
der zeitgenössischen Kunst

Von den Unruhen im zerrissenen Zürich der 1980er-Jahre
bis zum Common Sense der neuen Kunstszene um das
Löwenbräu der Jahrtausendwende – Nachrichten von einem
europäischen Kunstboom.

Maja Hoffmann
Mutig träumen
Maja Hoffmann gehört zu den gestaltenden und treibenden
Kräften, welche die Neuerfindung der Kunsthalle Zürich und
den Westbau im Löwenbräu-Areal ermöglichten. In ihrem
Erfahrungsbericht schildert sie den Weg dorthin.

Beatrix Ruf
Genau sehen. Schön feiern. Kritisch denken
Das neue Löwenbräu öffnet im Juni. Beatrix Ruf ist seit
elf Jahren Leiterin der Kunsthalle und hat die Geschichte
des Löwenbräu entscheidend mitgeprägt. Und was bringt
die Zukunft?

Ausstellungstagebuch: Sie waren alle hier

Bernhard Mendes Bürgi im Gespräch mit Ewa Hess
«Die Aufhebung eines Meinungsdiktates, was die gültige
Form von Gegenwartskunst sei, war befreiend»

Bernhard Mendes Bürgi hob zuerst die Kunsthalle Zürich
und dann das Kunstzentrum Löwenbräu mit aus der Taufe.

Rein Wolfs
Migros, Löwenbräu und andere Marken
Rein Wolfs, der Gründungsdirektor des Migros Museums,
ist dem Migros-Spirit immer treu geblieben. Auch in seiner
Fähigkeit zur Selbstkritik.

Iwan Wirth
«Zürich ist das Herz des Ganzen»
Der Galerist Iwan Wirth hat mit seiner Galerie das Profil des
Löwenbräu geprägt und geschärft. Er erzählt die grossen
Momente der Geschichte der Galerie.

«Manche Wunder entfalten sich langsam»
Sechzehn Jahre Löwenbräu zeigen, was es braucht, damit aus
einem Experiment eine Legende erwächst. Die Protagonisten
und häufige Besucher erinnern sich.

Liam Gillick im Gespräch mit Ewa Hess
Where Is Produced, 2012
Liam Gillick ist seit dem Anfang seiner künstlerischen Karriere
mit Zürich verbunden. Für Du hat er exklusiv die Bildserie
Where Is Produced entworfen.

Gianni Jetzer
The Illusion of Democracy – zum Schaulauf von Kunst
und Immobilien in New York

Künstler spielen in der Stadt, die niemals schläft, eine tragende
Rolle. Bei den neuen Trends auf dem New Yorker Immobilienmarkt
waren in den letzten vierzig Jahren stets Künstler vor Ort.

Silvia Lüdi-Sokalski
Die Industrieruine als Krone der Stadt
Mit Nostalgie alleine lässt sich die Liebe der Kunstszene zu
stillgelegten Fabrikarealen nicht erklären. Doch wie lange hält
der Trend noch an?

Fünf Fragen an Elmar Ledergerber

Oliver Prange
Zeitgenössischer Leuchtturm
Ende August 2012 nimmt das Löwenbräu-Areal den Betrieb
definitiv wieder auf. Damit es so weit kommen konnte, hat sich
die Stadtverwaltung ganz schön aus dem Fenster gelehnt.

Vier Fragen an Corine Mauch

Heike Munder
Weiterhin eckig und kantig
Grosser Publikumserfolg heisst nicht immer, gefällig zu sein.
Im Gegenteil, die junge Geschichte des Migros Museums
für Gegenwartskunst zeigt: Auch Mut zum Eigensinn zahlt
sich aus.

Arina Kowner
Wie das InK auf die Welt kam
Wie jede Erfolgsstory hat auch das Löwenbräu viele Väter und
Mütter. Doch in einem sind sich alle einig: Der Urknall war
kurz und heftig, dauerte drei Jahre und hatte drei Buchstaben –
InK.

Christel Raussmüller-Sauer
Zeichen und Wunder: das InK in Zürich
 

Hier entsteht die Zukunft

Ewa Hess und Daniel Morgenthaler
«Es ist jetzt keine Initialzündung mehr, sondern eher so
etwas wie ein Klassenwechsel»

Round-Table-Gespräch mit vier Protagonisten der nächsten
Generation der Kunstszene Zürichs.

Teil II

Reto Bühler im Gespräch mit Oliver Burger
Die Speerspitze des Jazz
Das Dutzend ist voll: Das Moods feiert Geburtstag.

Thomas David
«Vollkommen rücksichtslos gegen sich selbst»
Zwei Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes starb Joan
Didions einzige Tochter. Jetzt hat sie ein Buch über
den Ausnahmezustand ihres Lebens angesichts des
Todes geschrieben: Blaue Stunden.

Teil III

Urs Stahels Sichtweisen
Digital photography never looked so analog

Obrist Talk
«Der Begriff zeitgenössische Kunst ist historisch
gesehen einzigartig»

Ausstellungstipps von Juri Steiner

Stefan Zweifels Reflektorium
Das Mysterium des Lesens

Die Eroberung des Unnützen von Dieter Meier
Wo was entsteht und warum nicht

  Du 827 | Juni 2012 | Art City Zürich – Mit dem Löwenbräu auf die Kunst-Weltkarte

Art City Zürich

Mit dem Löwenbräu auf die Kunst-Weltkarte

Zürichs Erwachen
Von Oliver Prange

Städte können sich durch Kunst revitalisieren, setzen dadurch einen Modernisierungsprozess in Gang, der nicht nur das Gesicht verändert, sondern auch die Seele. Wenn am 10. Juni das neue Löwenbräu-Kunstareal in Zürich provisorisch und Ende August definitiv eröffnet wird, bricht ein neues Kapitel in der jungen Geschichte von Zürich als einer Kapitale zeitgenössischer Kunst an.
Für diese Ausgabe von Du haben wir Zeitzeugen gebeten, ihre Erinnerungen aufzuschreiben und ein Bild für die Zukunft zu zeichnen. Entstanden ist die Chronik einer der spannendsten Entwicklungen der Stadt, die sich dank Kunst neu erfand. Zürichs Spitzenleistung in der Kultur ist die zeitgenössische Kunst. Nirgendwo sonst in Europa wird so viel an relevanter Gegenwartskunst auf einem kleinen Fleck geboten, schreibt Heike Munder, Direktorin des Migros Museums. Als Kunstort tut es Löwenbräu Vorbildern wie Tate Modern oder dem Dia:Beacon gleich, wo ebenfalls alte Industriegebäude durch zeitgenössische Architektur aufgewertet werden. Iwan Wirth war 1996 sehr skeptisch, ob er wirklich mit einer Institution und anderen Galerien unter einem Dach sein wollte. Doch das Konzept hat ihn seither so überzeugt, dass die Galerie, welche inzwischen mit ihren Filialen in London und New York zu den Hauptakteuren des Kunstmarkts gehört, am Löwenbräu-Standort festhält. «Das Löwenbräu gilt heute international als Modell. Es hat einen Standard gesetzt, ist in seiner Qualität und Grösse bis heute einzigartig geblieben.» Niemand hat damals geahnt, wie die Schaffung eines unkonventionellen Kunstzentrums auf die Entwicklung eines ganzen Stadtteils, ja sogar der ganzen Stadt einwirken würde. Zürich war einmal stocknüchtern, war konservativ und zwinglianisch. Abgesehen von der Dada-Bewegung, den Konkreten und vom Schauspielhaus ging – historisch gesehen – kaum ein künstlerischer Impuls von Zürich aus. Die Basler waren da schon früh viel kunstsinniger, schreibt Autorin Barbara Basting. Im 20. Jahrhundert blühte ihr Museum dank Franz Meyer auf, unterstützt von prominenten Sammlern, Museumsleuten und Künstlern. Da waren schräge Vögel wie Joseph Beuys und Jean Tinguely. Selbst Bern war Zürich weit voraus, dank den Ausstellungsmachern Harald Szeemann und Johannes Gachnang an der Kunsthalle Bern. In Zürich herrschte Ebbe – Spiessertum und Mief. Doch wie konnte es dann zur Kunst-Eruption kommen? Dazu brauchte es einen Knall, sagt Bernhard Mendes Bürgi, der zuerst die Kunsthalle Zürich und dann das Kunstzentrum Löwenbräu mit aus der Taufe hob und heute Direktor des Kunstmusems Basel ist, im Gespräch mit Du-Autorin Ewa Hess. Nämlich brauchte es die Opernhaus- Krawalle 1980, die Auseinandersetzung um das anarchische Autonome Jugendzentrum, welchen die Gründung der Roten Fabrik für Alternativkultur folgte. Zu lange unterstützte die Stadt Zürich ausschliesslich etablierte Kultur. Das setzte vieles in Bewegung, Zürich wurde disputierfreudiger, toleranter, fröhlicher. Die Kunstszene entwickelte sich, zunächst durch die legendäre Halle für internationale neue Kunst (InK), Vorläuferin des Migros Museums, und durch die Kunsthalle in der Industriebrache Schöller-Areal. Galerien siedelten sich in der Fabrikgegend an. Man eiferte dem Chic von SoHo im New York der Siebzigerjahre nach. Ausstellungen zeugten vom Aufbruch, wie etwa 1998 die von Bice Curiger im Kunsthaus Zürich, Freie Sicht aufs Mittelmeer, die eine junge freche Schweizer Kunstszene vorstellte. 1996 eröffnete das Löwenbräu, ab 2001 kam die exquisite Daros Collection dazu und später Daros Latinamerica. Die treibenden Kräfte hinter dem Löwenbräu waren die Vertreter der Kunsthalle, namentlich Maja Hoffmann von der Luma Stiftung, Christoph Haerle und Beatrix Ruf, die mit ihren Interventionen beim damaligen Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber den Anstoss gaben. Für Ledergerber hat das Löwenbräu Kultstatus. Er sagt: «Das Löwenbräu ist sozusagen unser MoMA, unser Museum of Modern Art.» Darum wählte die Stadt das Löwenbräu zum wichtigen Bestandteil der Stadtentwicklung und postulierte in ihren Strategien 2025, sie wolle die junge Branche der Kunst- und Kreativwirtschaft gezielt fördern, die heute wohl gegen fünf Milliarden Franken Umsatz im Jahr erzielt.
Während im Juni Galerien und Kunstinstitutionen wieder ins Löwenbräu einziehen, präsentiert das Projekt Art and the City in Zürich-West auffällige Kunst ausserhalb der Galerien und Museen. In unmittelbarer Nähe zum Löwenbräu werden über zwei Dutzend Kunstwerke im öffentlichen Raum zu sehen sein, Skulpturen, grosse Fotoarbeiten und Kunst am Bau. Viele junger Galerien und von Künstlerinnen und Künstlern betriebener Offspaces siedeln ums Löwenbräu herum, bereichern den Geist einer künstlerischen Auseinandersetzung um neue zukunftsträchtige Facetten. Und auch das Kunsthaus steht vor einer Erneuerung. Die Ausstellungsfläche soll dank einem Neubau von David Chipperfield verdoppelt werden.
Das Modell Löwenbräu jedoch bleibt einzigartig. Besucher aus aller Welt kommen nach Zürich, um sich über die neusten Kunsttrends zu informieren, um zu sehen, wie kommerzielle und Non-Profit-Interessen unter einen Hut zu bringen sind. Bürgi sagt: «Entscheidend ist nun, diese Lebendigkeit, die aus Pioniergeist gewachsen ist, substanziell zu erhalten; ein Ort, der vor zwanzig Jahren an der Peripherie der Gesellschaft war, auch örtlich gesehen, steht heute physisch in deren Zentrum.»